Samstag, 24. Januar 2009
 
SPÖ am Ende PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Michael Pröbsting   
Sonntag, 29. Juni 2008

Die jüngsten Veränderungen an der Spitze der SPÖ wurden an der Basis vorbei durchgesetzt. Es regieren Ratlosigkeit und Opportunismus, meint der Autor, der darin eine Chance für eine neue Linkspartei sieht.

Was zeigt die Ernennung Faymanns zum SPÖ-Parteichef?

Die Ernennung von Verkehrsminister Werner Faymann zum geschäftsführenden SPÖ-Parteichef durch das Parteipräsidium ist ein anschauliches Beispiel für den Zustand der österreichischen Sozialdemokratie. Diese Ernennung zeigt:

1. Zentrale Entscheidungen in der SPÖ werden im kleinsten Kreise an der Spitze der Parteibürokratie ausgemauschelt und danach durch die bürgerlichen Medien der Mitgliedschaft mitgeteilt. Die SPÖ ist eine durch und durch verbürokratisierte Partei.

2. Es gibt in der Parteibürokratie keine ernsthaften politischen Differenzen über den neoliberalen Kurs der SPÖ. Faymann, Buchinger, Häupl oder Burgstaller tragen alle Eckpfeiler der kapitalistischen SPÖ-Politik mit: die Zustimmung zum EU-Reformvertrag, den Bundesheer-Einsatz im Tschad, die Grundlinien der Gesundheits- und Pensionsreform usw. Die Differenzen beziehen sich ausschließlich darauf, wie man sich rhetorisch, in der Öffentlichkeitsarbeit besser von der ÖVP abgrenzt.

3. Die bislang in der Parteigeschichte einmalige Trennung von Parteichef und Bundeskanzler ist ein Ergebnis der historischen Krise der SPÖ. Noch nie in der Geschichte der II. Republik haben sich solch breite Teile der ArbeiterInnenklasse von der Partei abgewandt, noch nie war der Mitgliederstand so gering, nie sahen sich so viele ArbeiterInnen nach einer politischen Alternative zur SPÖ um. Die Parteibürokratie kann aufgrund ihrer engen Verbindung zum kapitalistischen Staatsapparat und dem Kapital keinen Politikwechsel durchführen, der diese Tendenzen umkehren würde. Daher die bürokratischen Grabenkämpfe um Einfluß und Posten, daher das Ändern der Gesichter an der Parteispitze. Der Konflikt zwischen Gusenbauer, Häupl und anderen SP-Länderchefs geht also nicht um politische Richtungskämpfe, sondern nur um kosmetische und personelle Korrekturen bei Beibehaltung der gleichen kapitalistischen Politik.

4. Die SPÖ-Linken - wie die ISP, die SJ-Stamokap oder der pseudo-trotzkistische Funke - verurteilen zwar den Rechtskurs der Partei, aber sie verstehen weder seine Ursachen noch die notwendige Alternative. Sie verstehen nicht,

* daß die SPÖ auch früher eine reformistische, eine bürgerliche Arbeiterpartei war und eine Orientierung zurück auf die "glorreichen Kreisky-Jahre" - als die SPÖ die Modernisierungsbestrebungen des Großkapitals umsetzte - vollkommen verfehlt ist,

* daß bei der Verschärfung der Klassengegensätze und der damit verbundenen aggressiveren Politik des Kapitals auch die Parteibürokratie notwendigerweise nach rechts geht (was einzelne, kurzfristige und oberflächliche Linksmanöver unter massiven Druck der Basis keinesfalls ausschließt) und sich Teile der ArbeiterInnenklasse unausweichlich von der reformistischen Partei abwenden und sich nach politischen Alternativen umschauen,

* daß jede Hoffnung auf oder jedes Vortäuschen (aus "taktischen Gründen") einer möglichen Reformierbarkeit der SPÖ, einem Zurück zu "ihren sozialistischen Wurzeln" ein bewußter oder unbewußter Betrug an der ArbeiterInnenklasse ist,

* daß ihre Orientierung des "Jetzt die Linke innerhalb der Sozialdemokratie aufbauen" in Wirklichkeit nur die Bindung von fortschrittlichen AktivistInnen an eine hoffnungslos verbürgerlichte reformistische Partei bedeutet und somit ein Hindernis für den Aufbau einer tatsächlichen ArbeiterInnenpartei darstellt.

5. Die zentrale Aufgabe von marxistischen RevolutionärInnen und aller ehrlichen SozialistInnen besteht heute darin, eine klare und energische Aufklärungsarbeit in der ArbeiterInnenklasse, in den Gewerkschaften und auch unter SPÖ-Parteimitgliedern zu organisieren. Eine solche Aufklärungskampagne müßte folgende Schlußfolgerungen darlegen:

* Die SPÖ geht unausweichlich nach rechts, nicht weil die falschen Personen an der Spitze stehen, sondern weil die Parteibürokratie mit dem Kapital und dessen Staat aufs das Engste verbunden ist.

* Die ArbeiterInnenklasse braucht mehr denn je eine neue Partei. Die Chancen für den Aufbau einer solchen neuen ArbeiterInnenpartei stehen jetzt, angesichts der historischen Krise der SPÖ und internationaler Beispiele besser denn je.

* Alle ernsthaften sozialistischen Kräfte müssen innerhalb der SPÖ für eine Spaltung der Partei und dem Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei eintreten. Innerhalb der Gewerkschaften und innerhalb der SJ muß man für einen Bruch mit der SPÖ und dem Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei bzw. Jugendbewegung eintreten.

* Eine solche Perspektive muß verbunden werden mit einer energischen Orientierung auf den Klassenkampf (wie z.B. die Proteste gegen die Gesundheitsreform, die Preissteigerungen oder den EU-Reformvertrag.) Diese Kämpfe müssen gegen die Regierung und auch gegen die SPÖ-Politik gerichtet werden.

In diesem Sinne nehmen wir von der Liga der Sozialistischen Revolution sowohl an den kommenden Protestaktionen (z.B. die geplanten Demonstrationen am 7. Juli) als auch den Diskussionen über eine neue Partei (z.B. der "Linke Ratschlag" am 5. Juli) teil.

(aus Red Newsletter Nr 344, 28.Juni 2008, Infodienst der Liga der Sozialistischen Revolution, www.sozialistische-revolution.org)

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